Mittwoch, 22. Oktober 2008

IST DAS WIRKLICH WAHR ??

Krebspatienten, die auf manuelle Lymphdrainge angewiesen sind, müssen fürchten, dass sie künftig nicht mehr qualifiziert behandelt werden. So berichtet in der Heutesendung vom 21.07.2008
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/heute_in_Deutschland_vom_21._Juli_2008/545058?inPopup=true
Zunächst nur eine Hand voll Berliner Physiotherapeuten aus dem Bezirk Steglitz wollen nicht mehr unter unzumutbaren Zuständen ihre heilsamen Hände für unwürdige Entlohnung den Versicherten der AOK, BKK und IKK zur Verfügung stellen.


Warum ist das so?
Den Beruf der Physiotherapie erlernt man in einem drei Jahre dauernden Fachschullehrgang und schließt mit einem umfangreichen Staatsexamen ab. Die meisten Ausbildungsstätten sind Privatschulen. Das bedeutet monatliches Schulgeld. Bei fünf von sieben Schulen in Berlin müssen rund 350,00 Eur monatlich gezahlt werden. Dazu kommen Prüfungsgebühren, Berufskleidung, Fachbücher und Fahrgeld zum Einsatz in die Krankenhäuser. Da sind schnell 15.000,00 Eur und mehr weg. Die Miete und das täglich Brot sind dann noch nicht bezahlt.
Nach der Ausbildung finden die jungen Therapeuten keine Arbeit. Es fehlt die manuelle Lymphdrainage. Das bedeutet schon wieder über 1.000,00 Eur bezahlen, vier Wochen Schulbank drücken und Prüfungsabschluss. In dieser Zeit muss auch gelebt werden.
In kargen Jahren perfekt ausgebildet, geht man davon aus, dass der Lebensunterhalt nun locker zu bestreiten sei. Weit gefehlt. Das statische Bundesamt hat dem Friseurberuf mit 15.787,00 Eur die rote Laterne angehängt, dazu kommt noch Trinkgeld. Mancherorts kann ein Physiotherapeut von solchen Gehältern nur träumen.


Wie kann es dazu kommen?
Die Therapiepreise der RVO-Kassen (AOK, BKK, IKK) werden pro Bundesland zwischen den Vertretern der Kostenträger und den Vertretern der Berufsverbände verhandelt. So die Theorie.
In der Praxis stehen den ehrenamtlichen Berufsvertretern professionelle Angestellte mit Festgehältern der Krankenkassen gegenüber, deren oftmals arrogantes Benehmen zu einem unzumutbaren Preisdiktat führen. Von Verhandlungen auf Augenhöhe kann hier keine Rede sein. Seit dreizehn Jahren müssen die Berufsverbände nehmen, was sie bekommen. Gibt es ein Wort dafür?
Die letzten Preise wurden zum 1. März 2008 ausgemacht. Jahrelang hatten die Physiovertreter die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Das führte dazu, dass niedergelassene Physiotherapeuten, die sich nicht weiterbilden, wirtschaftlich besser dastehen, als ihre höherqualifizierten Mitbewerber. Am Beispiel der manuellen Lymphdrainage lässt sich das besonders drastisch darstellen. Kommt ein AOK(BKK, IKK)-Versicherter mit seiner Heilmittelverordnung über Lymphdrainage zu der Physiopraxis seines Vertrauens und hat diese Praxis die Zulassungserweiterung, dann bekommt die Praxis für 45 Minuten Behandlung 15,70 Eur. Während dieser Zeit kann eine Praxis, die diese Höherqualifizierung nicht vorhält, bis zu zwei Patienten mit Krankengymnastik versorgen. Hierfür bekommt diese Praxis bis zu 26,60 Eur. Das bedeutet, dass die Therapeuten, die sich fort- und weiterbilden dreifach bestraft werden. Zum einen kosten diese Schulungen viel Geld, es ist Jahresurlaub oder unbezahlter Urlaub zu nehmen und zu schlechter Letzt wird das von den Gesetzlichen Krankenkassen besonders miserabel bezahlt.


Wie kann eine Physiotherapiepraxis überleben?
Die Kassenvertreter wissen ganz genau, dass kein Unternehmen mit diesen Preisen überleben kann.
Sie nehmen billigend in Kauf, dass Physiotherapeuten von Eltern, Partnern, Privatpatienten und Staat unterstützt werden. Somit werden die Krankenkassen indirekt gesponsert.
Schon das Bundesinnenministerium stellte 2004 fest, dass Beihilfesätze nicht kostendeckend sind.
http://www.bmi.bund.de/cln_028/nn_122688/sid_3BFD73181BF2EF8C4007F3975123C549/Internet/Content/Nachrichten/Archiv/Pressemitteilungen/2004/02/Keine__Extrawurst__fuer__Beamte__Id__94165__de.html
Dabei erhält der Beihifeberechtigte für 45 Min manuelle Lymphdrainage 29,20 Eur.
Im Gegensatz dazu bezahlt der Privatpatient, vermutlich als einziger, den real kalkulierten Preis seiner Therapiepraxis.


Was ist zu tun?
Eine schnelle Lösung für ein Problem, das sich über Jahre aufgebaut hat gibt es nicht. Aber so geht es nicht weiter. In Berlin setzen wir uns kollegial zusammen und überlegen, was zu tun ist. Denn eines ist klar, Physiotherapie ist ein hochwirksames Heilmittel ohne aggressive Nebenwirkungen. Unsere Arbeit ist entscheidend für das Befinden und Gesunden von Patienten. Ohne unsere Arbeit gäbe es eine deutliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Selbst dann noch, wenn wir für Krankengymnastik angemessen mit einem Euro pro Minute entlohnt werden. Für Zertifikatsleistungen sollte dann 1,50 Eur pro Behandlungsminute ausreichen. Die Krankenkassen sollten sich wieder auf ihre Aufgaben konzentrieren und weniger auf Verwaltungs- und Bauarbeiten. Sie sollten sich wieder bewusst machen, dass qualitativ hochwertige Handarbeit und menschliche Zuwendung unterm Strich preisgünstiger sind als Schadensbegrenzung und Behandlung schwerer Komplikationen im Krankenhaus.
Wir wollen und können den Patienten helfen. Wir wollen adäquate Bezahlung.

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