Mittwoch, 3. März 2010

Parkinson - Tanzen auf Rezept?

Tanzkurse helfen Parkinson-Patienten
Bundesweit einmalige Therapie in Lemgo entwickelt
VON JUDITH STRACKE

Werner Weiland betritt das Parkett im leichten Tippelgang. An seiner Hand hat er Ehefrau Hannelore. Aus der Musikanlage tönt es: "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein." Freiheit, die für den Pastor im Ruhestand seit der Diagnose Parkinson vor rund zehn Jahren zunächst einmal in weite Ferne gerückt war. Heute tanzt er gegen seine Krankheit an.
"Wir haben das Krankheitsbild bei seiner Mutter verfolgen können. Wir sind dankbar, dass die Medizin heute so viel weiter ist", meint Ehefrau Hannelore mit einem schnellen Blick zu ihrem Tanzpartner. Der lächelt: "Wenn ich tanze, geht es darum, dass das, was ich mit der Musik im Gehirn aufnehme, in die Beine kommt."

Seine Schritte wirken zögernd, zurückhaltend, und doch ist jeder einzelne eine Liebeserklärung an das Leben. Ein Leben als chronisch Kranker. "Das hier ist eine tolle Gelegenheit, sich nicht zu verkriechen und zu verstecken, sich mit seiner Krankheit zu zeigen und dazu zu stehen", strahlt der 75-Jährige."Das hier" – das ist ein Tanzkurs in der Lemgoer Tanzschule Hey, geleitet von Margret Hey, nach eigener Kenntnis einzige geprüfte "Reha-Tanzlehrerin" in Deutschland. Den Anstoß für das Angebot bekam die Tanzlehrerin bei einem Besuch eines Kollegen aus Bremerhaven. Auch er ist an Parkinson erkrankt. Seine Therapie: Er tanzt gegen die Krankheit an. "Das hat geholfen. Danach habe ich ihn kaum wiedererkannt. Es ging ihm viel besser, er bewegte sich sicherer, und er strahlte wieder", erinnert sich Hey. Erfahrung mit Tanzkursen für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat Hey schon lange. Seit mehr als 20 Jahren unterrichtet sie Behindertentanz. Seit einem Jahr beschäftigt sie sich mit der positiven Wirkung des Tanzes bei neurologische Erkrankungen. Ihre Ausbildung zur "Fachübungsleiterin Rehasport" auf diesem Gebiet, durchgeführt vom Behindertensportverband, sei in Deutschland einmalig, erzählt sie. Für das Projekt begeisterte Hey zuerst einen ehemaligen Tanzschüler: Stefan Rischer, beschäftigt bei der Krankenkasse Signal-Iduna IKK, der die beiden lippischen Selbsthilfegruppen für Parkinson betreut, war nach kurzem Zögern überzeugt von der Kombination Tanz und Parkinson: "Die Gruppenmitglieder waren sofort Feuer und Flamme. Für mich war es der perfekte Mix aus Beruf und Hobby. Am Ende war es diese strahlende Schönheit von der Tanzfläche, die mich völlig überzeugte."Unterstützt wird das therapeutische Tanzen außerdem von Mediziner Peter Vieregge, Chef der neurologischen Klinik in Lemgo. "Ich bin durch meine Frau Alexandra zum Tänzer geworden", gesteht er lächelnd. Er glaubt fest an den Erfolg des Projekts, denn er weiß um den therapeutischen Effekt: "Tanzen bedient alle Sinne. Es fördert die Motorik und Bewegung. Es bedeutet gleichzeitig, sich zu zeigen – und sich zu trauen", so Vieregge.
Inzwischen ist der Tanztreff in Lemgo durch seine regelmäßigen Einheiten zu einer regelrechten Bewegung gereift. Eine Bewegung, die nun auch bundesweit gewürdigt worden ist – mit einem Zertifikat. Darauf steht schwarz auf weiß, dass die Parkinson-Selbsthilfegruppe die Bewegungs- und Tanztherapie als Rehasport anbieten darf. Die Maßnahme ist in Zukunft über die Krankenkassen abrechnungsfähig. Im Klartext: Es gibt den Tanzkurs auf Rezept.

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1 Kommentar:

carina hat gesagt…

das ist eine wirklich schöne weise diese schreckliche krankheit zu bekämpfen. die patienten haben wenigstens beim kurs spaß...