Freitag, 12. März 2010
Physiotherapie ungerecht verteilt?!
http://www.up-aktuell.de/news/2010/03/%E2%80%9Edie-verteilung-ist-nicht-gerecht-%E2%80%9C-8921.html
Hier noch die kleine Anfrage:
Deutscher Bundestag Drucksache 17/598 17. Wahlperiode 29. 01. 2010
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Regional ungleicher Zugang zu Heilmitteln
Die gesetzliche Krankenversicherung ist dem Grundsatz verpflichtet, allen Versicherten den gleichen Zugang zu den medizinisch notwenigen Gesundheitsleistungen zu ermöglichen. Dabei erfolgt die Konkretisierung der Leistungsansprüche der Versicherten über Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die bundeseinheitlich gelten. Diesem Grundsatz des einheitlichen Leistungsanspruchs scheinen die Ergebnisse des Heilmittelberichts 2009/2010 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK klar zu widersprechen. Darin werden regional sehr unterschiedliche Zugänge der Bevölkerung zu Heilmitteln festgestellt. Eine räumlich unterschiedliche Behandlungsintensität ist bei allen Arten von Heilmitteln (Physio-, Ergo-, Sprachtherapie) ersichtlich und deutet auf ein sehr unterschiedliches Verordnungsverhalten der Vertragsärzte in den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hin.
Bei der Physiotherapie variierten 2008 die Leistungen je 1 000 AOK-Versicherte zwischen Sachsen (750,5), Berlin (677,4), Baden-Württemberg (625,1), Sachsen- Anhalt (612,6), Bayern (564,4) sowie Westfalen-Lippe (233,7), Nordrhein (314,1), Hessen (339,3). Der Bundesdurchschnitt beträgt 500. Der Unterschied zwischen der Region mit der höchsten und der mit der niedrigsten Behandlungs- zahl beträgt das 3,21-Fache.
Bei der Ergotherapie variierten 2008 die Leistungen je 1 000 AOK-Versicherte zwischen Sachsen (51,6), Schleswig-Holstein (44,6), Hamburg (43,3), Saarland (42,7) sowie Westfalen-Lippe (23,9), Hessen (24,5), Nordrhein (29,5). Der Bundesdurchschnitt beträgt 34. Der Unterschied zwischen der Region mit der höchsten und der mit der niedrigsten Behandlungszahl beträgt das 2,16-Fache.
Bei der Sprachtherapie variieren 2008 die Leistungen je 1 000 AOK-Versicherte zwischen Baden-Württemberg (43,9), Nordrhein (38,2), Schleswig-Holstein (36,7), Berlin (33,9), Westfalen-Lippe (26,3) sowie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (22,7), Rheinland-Pfalz (25). Der Bundesdurchschnitt beträgt 30,8. Der Unterschied zwischen der Region mit der höchsten und der mit der niedrigsten Behandlungszahl beträgt das 1,9-Fache.
Die Leistungen der Ergo- und der Sprachtherapie werden besonders häufig von Kindern in Anspruch genommen. Mehr als die Hälfte aller sprachtherapeutischen Leistungen werden von Kindern zwischen dem sechsten und neunten Lebensjahr beansprucht. Am häufigsten wird Sprachtherapie vor Abschluss der Sprachentwicklung verordnet. Mithin entscheidet die Entwicklung der Sprachfähigkeit über die Bildungschancen von Kindern.
Auch bei der Ergotherapie ist ein Verordnungsgipfel bei Kindern im Grundschulalter zu verzeichnen.
Drucksache 17/598 – 2–DeutscherBundestag–17.Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Diskrepanz bei den Verordnungen der
a) Physiotherapie,
b) Ergotherapie,
c) Sprachtherapie
zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen?
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, und wie gedenkt sie dieser Diskrepanz entgegenzuwirken?
2. Sind der Bundesregierung morbiditätsbezogene Gründe bekannt, die erklären, warum die Heilmittelverordnungen um etwa das Zwei- bis Dreifache zwischen den KVen mit den höchsten und den mit den niedrigsten Verordnungen variieren?
Falls ja, welche sind das?
3. Welche anderen plausiblen Gründe rechtfertigen nach Ansicht der Bundesregierung das unterschiedliche Verordnungsverhalten in den KVen?
4. a) Ist davon auszugehen, dass Richtgrößen das Verordnungsgeschehen maßgeblich beeinflussen?
Falls ja, weshalb, und in welcher Form?
Falls nein, weshalb nicht?
b) Wie erklärt sich die Bundesregierung die so stark differierenden Richtgrößen?
c) Welche Richtgrößen erscheinen der Bundesregierung für die Physio-, die Ergo- und die Sprachtherapie als notwendig und angemessen?
5. a) Sind der Bundesregierung KVen bekannt, die Vertragsärzte beim Umgang mit den Budgetgrenzen beraten?
Falls ja, welche sind dies, und in welcher Form geht die Beratung vonstatten?
b) Sofern eine solche Beratung nicht erfolgt, weshalb nicht?
c) Werden geeignete Softwareprogramme eingesetzt, um einen besseren Überblick über die Spielräume beim Heilmittelbudget zu haben?
Falls nein, weshalb nicht?
6. In welchen KVen sieht die Bundesregierung eine Unter- bzw. Überversorgung in der
a) Physiotherapie,
b) Ergotherapie,
c) Sprachtherapie?
Welches Ausmaß erreicht dabei in den einzelnen KVen die Unter- bzw. Überversorgung in den jeweiligen Heilmittelbereichen?
7. a) Wie bewertet die Bundesregierung den regional sehr unterschiedlichen Zugang von Kindern zu Sprach- und Ergotherapie?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Deutscher Bundestag–17.Wahlperiode–3– Drucksache 17/598
8. Gibt es, gab es oder plant das Bundesministerium für Gesundheit Aktivitäten, damit Kinder mit einer funktionellen Sprachstörung einen besseren und einheitlichen Zugang zu professionellen Leistungen der Sprachtherapie erhalten?
Falls ja, welche sind dies?
Falls nein, weshalb nicht?
9. Mit welchen Maßnahmen trägt die Bundesregierung dazu bei, dass die Empfehlung aus dem Bericht über die Lebenssituation junger Menschen „95 Pro- zent aller Kinder sollen bei der Einschulung über adäquate Sprachkompetenzen verfügen" (Bundestagsdrucksache 16/12860, S. 262) für alle Regionen im Bundesgebiet wirksam werden kann?
Berlin, den 29. Januar 2010
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
Hier noch die kleine Anfrage:
Deutscher Bundestag Drucksache 17/598 17. Wahlperiode 29. 01. 2010
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Regional ungleicher Zugang zu Heilmitteln
Die gesetzliche Krankenversicherung ist dem Grundsatz verpflichtet, allen Versicherten den gleichen Zugang zu den medizinisch notwenigen Gesundheitsleistungen zu ermöglichen. Dabei erfolgt die Konkretisierung der Leistungsansprüche der Versicherten über Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die bundeseinheitlich gelten. Diesem Grundsatz des einheitlichen Leistungsanspruchs scheinen die Ergebnisse des Heilmittelberichts 2009/2010 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK klar zu widersprechen. Darin werden regional sehr unterschiedliche Zugänge der Bevölkerung zu Heilmitteln festgestellt. Eine räumlich unterschiedliche Behandlungsintensität ist bei allen Arten von Heilmitteln (Physio-, Ergo-, Sprachtherapie) ersichtlich und deutet auf ein sehr unterschiedliches Verordnungsverhalten der Vertragsärzte in den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hin.
Bei der Physiotherapie variierten 2008 die Leistungen je 1 000 AOK-Versicherte zwischen Sachsen (750,5), Berlin (677,4), Baden-Württemberg (625,1), Sachsen- Anhalt (612,6), Bayern (564,4) sowie Westfalen-Lippe (233,7), Nordrhein (314,1), Hessen (339,3). Der Bundesdurchschnitt beträgt 500. Der Unterschied zwischen der Region mit der höchsten und der mit der niedrigsten Behandlungs- zahl beträgt das 3,21-Fache.
Bei der Ergotherapie variierten 2008 die Leistungen je 1 000 AOK-Versicherte zwischen Sachsen (51,6), Schleswig-Holstein (44,6), Hamburg (43,3), Saarland (42,7) sowie Westfalen-Lippe (23,9), Hessen (24,5), Nordrhein (29,5). Der Bundesdurchschnitt beträgt 34. Der Unterschied zwischen der Region mit der höchsten und der mit der niedrigsten Behandlungszahl beträgt das 2,16-Fache.
Bei der Sprachtherapie variieren 2008 die Leistungen je 1 000 AOK-Versicherte zwischen Baden-Württemberg (43,9), Nordrhein (38,2), Schleswig-Holstein (36,7), Berlin (33,9), Westfalen-Lippe (26,3) sowie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (22,7), Rheinland-Pfalz (25). Der Bundesdurchschnitt beträgt 30,8. Der Unterschied zwischen der Region mit der höchsten und der mit der niedrigsten Behandlungszahl beträgt das 1,9-Fache.
Die Leistungen der Ergo- und der Sprachtherapie werden besonders häufig von Kindern in Anspruch genommen. Mehr als die Hälfte aller sprachtherapeutischen Leistungen werden von Kindern zwischen dem sechsten und neunten Lebensjahr beansprucht. Am häufigsten wird Sprachtherapie vor Abschluss der Sprachentwicklung verordnet. Mithin entscheidet die Entwicklung der Sprachfähigkeit über die Bildungschancen von Kindern.
Auch bei der Ergotherapie ist ein Verordnungsgipfel bei Kindern im Grundschulalter zu verzeichnen.
Drucksache 17/598 – 2–DeutscherBundestag–17.Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Diskrepanz bei den Verordnungen der
a) Physiotherapie,
b) Ergotherapie,
c) Sprachtherapie
zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen?
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, und wie gedenkt sie dieser Diskrepanz entgegenzuwirken?
2. Sind der Bundesregierung morbiditätsbezogene Gründe bekannt, die erklären, warum die Heilmittelverordnungen um etwa das Zwei- bis Dreifache zwischen den KVen mit den höchsten und den mit den niedrigsten Verordnungen variieren?
Falls ja, welche sind das?
3. Welche anderen plausiblen Gründe rechtfertigen nach Ansicht der Bundesregierung das unterschiedliche Verordnungsverhalten in den KVen?
4. a) Ist davon auszugehen, dass Richtgrößen das Verordnungsgeschehen maßgeblich beeinflussen?
Falls ja, weshalb, und in welcher Form?
Falls nein, weshalb nicht?
b) Wie erklärt sich die Bundesregierung die so stark differierenden Richtgrößen?
c) Welche Richtgrößen erscheinen der Bundesregierung für die Physio-, die Ergo- und die Sprachtherapie als notwendig und angemessen?
5. a) Sind der Bundesregierung KVen bekannt, die Vertragsärzte beim Umgang mit den Budgetgrenzen beraten?
Falls ja, welche sind dies, und in welcher Form geht die Beratung vonstatten?
b) Sofern eine solche Beratung nicht erfolgt, weshalb nicht?
c) Werden geeignete Softwareprogramme eingesetzt, um einen besseren Überblick über die Spielräume beim Heilmittelbudget zu haben?
Falls nein, weshalb nicht?
6. In welchen KVen sieht die Bundesregierung eine Unter- bzw. Überversorgung in der
a) Physiotherapie,
b) Ergotherapie,
c) Sprachtherapie?
Welches Ausmaß erreicht dabei in den einzelnen KVen die Unter- bzw. Überversorgung in den jeweiligen Heilmittelbereichen?
7. a) Wie bewertet die Bundesregierung den regional sehr unterschiedlichen Zugang von Kindern zu Sprach- und Ergotherapie?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Deutscher Bundestag–17.Wahlperiode–3– Drucksache 17/598
8. Gibt es, gab es oder plant das Bundesministerium für Gesundheit Aktivitäten, damit Kinder mit einer funktionellen Sprachstörung einen besseren und einheitlichen Zugang zu professionellen Leistungen der Sprachtherapie erhalten?
Falls ja, welche sind dies?
Falls nein, weshalb nicht?
9. Mit welchen Maßnahmen trägt die Bundesregierung dazu bei, dass die Empfehlung aus dem Bericht über die Lebenssituation junger Menschen „95 Pro- zent aller Kinder sollen bei der Einschulung über adäquate Sprachkompetenzen verfügen" (Bundestagsdrucksache 16/12860, S. 262) für alle Regionen im Bundesgebiet wirksam werden kann?
Berlin, den 29. Januar 2010
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
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