Dienstag, 16. Juli 2013

Virtuelle Behandlung von Hirnschäden

"Patienten mit Hirnschäden leiden häufig unter Gedächtnisverlust oder Störungen der visuellen Wahrnehmung sowie der räumlichen Orientierung. Hierbei kann künftig eine neuartige Trainingsmöglichkeit eingesetzt werden: Ein sogenanntes 3D – Einkaufstraining hat gute Ergebnisse in der Therapie bei Hirnschäden geliefert.


Das Bielefelder Exzellenzcluster "CITEC" hat nach rund vier Jahren das Projekt unter dem Namen "CITmed" abgeschlossen. Das Forscherteam setzte sich zum Ziel, die kognitiven Fähigkeiten des Patienten wieder aufzubauen. Für die Umsetzung setzten sie auf die virtuelle Realität.

"Wenn einzelne Hirnareale geschädigt sind, können deren Aufgaben von anderen Teilen des Gehirns übernommen werden. Diese Teile des Gehirns müssen die neuen Aufgaben aber erst lernen", erklärt Professor Dr. Mario Botsch, Leiter des CITmed-Projekts. Neben einem Team aus Technikern und Informatikern wurden zusätzlich Psychologen unter der Leitung von Dr. Martina Piefke, Professorin an der Universität Witten-Herdecke, eingesetzt. Getestet wurde mit Patienten, die einen Hirnfunktionsschaden erlitten haben. Hier war vorrangig eine Epilepsie oder aber der Schlaganfall die Ursache.

Mit Hilfe des 3D-Trainingsprogramms "OctaVis" haben die Forscher eine Plattform erschaffen, mit der sich Alltagssituationen erstellen lassen. Vorrangig wurde hier auf einen Einkauf in einem virtuellen Supermarkt gesetzt, in dem die Patienten verschiedene Waren einkaufen mussten. Nach rund acht Tagen Einkaufstraining zeigten die Probanden Fortschritte im Alltagsgeschehen: Sie konnten sich deutlich mehr Produkte merken und verbesserten ihre räumlich-visuellen Leistungen merklich.

Der Vorteil bei dieser Art des Hirntrainings: Mentale Fähigkeiten werden hierbei kombiniert trainiert. "Wir haben als Anwendung das Supermarkt-Szenario gewählt, weil es alltagsnah ist und die Kombination mehrerer kognitiver Fähigkeiten erfordert und trainiert", so Mario Botsch.

Doch wie funktioniert nun dieses virtuelle Einkaufsmanöver?

Das Programm besteht aus acht hohen Monitoren, die den Patienten umgeben. Über die Bildschirme wird die Umgebung – sprich der Supermarkt mitsamt seiner Gänge und den gefüllten Regalen - abgebildet. Der Patient kann sich mit Hilfe eines Steuerknüppels und eines Drehstuhls nach vorne sowie zur Seite bewegen und in die verschiedenen Gänge wandern. Berührt er den Bildschirm, kann er die jeweiligen, ausgesuchten Artikel in den Warenkorb legen. "Ein wichtiger Erfolg für uns war, dass sich jeder Teilnehmer gut mit der Bedienung zurechtfand, obwohl es sich größtenteils um ältere Patienten ohne nennenswerte Computererfahrung handelte", erklärt Botsch hierzu.

Für diese Studie, in der das Programm getestet wurde, mussten die Patienten bestimmte Lebensmittel im Supermarkt kaufen. Rund 20 Artikel wurden ihnen anhand einer Liste vorgelesen. Die Patienten mussten sich die Artikel merken und im Supermarkt finden.

Die Einkaufsaufgabe wurde an acht Tagen wiederholt. Als "Bonus" wurde am siebten Tag eine sogenannte "Störliste" eingefügt, bei der ganz andere Sachen gesucht werden sollten. Am letzten Tag wurde als Abschlussaufgabe die ursprüngliche Liste wieder eingesetzt, die jedoch nicht mehr vorgelesen wurde.

"Die räumlich-visuellen Leistungen haben sich bei vielen Patienten grundsätzlich verbessert", sagt Mario Botsch. "Und diese Lernleistung ist erstaunlich stabil: Obwohl wir die Patienten am siebten Tag mit der Störliste abgelenkt haben, hatten sie am achten Tag, als sie aus dem Kopf die Waren der ursprüngliche Liste einkaufen sollten, davon noch einen Großteil im Gedächtnis", erklärt der Wissenschaftler.

Ein großes Plus bei dieser Art der Therapie sei die kinderleichte Bedienung. Somit können sich auch ältere Patienten diesem Programm widmen. "Unsere älteste Probandin war beim Test 94 Jahre alt. Sie hat die Aufgaben ohne Probleme gemeistert", erklärt Prof. Botsch hierzu."

Quell: AvB / physio.de

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