Ergotherapie wird häufig bei Erwachsenen mit einer chronischen Erkrankung verordnet. Wenn ein Mensch durch die Folgen eines Schlaganfalls Schwierigkeiten in der Ausführung von alltäglichen Aktivitäten erfährt und seine unterschiedlichen (Lebens-)Rollen nicht mehr nach eigenem Wunsch oder gemäß den Anforderungen aus dem Umfeld (z.B. des Arbeitsplatzes) erfüllen kann, hat dies negative Auswirkungen auf die Lebensqualität des Betroffenen. Viele Menschen haben nach einem Schlaganfall große Probleme, selbständig Ihren Alltagsaktivtäten nach zu gehen oder Ihre Zeit sinnvoll zu verbringen.
Perspektivenwechsel - von der medizinischen Diagnose zur LebensweltorientierungLange orientierte sich die Ergotherapie am medizinischen Modell und war auf das Wiederherstellen von "Funktionen" ausgerichtet. Es wurden z.B. Körbe geflochten um die Feinmotorik und Handlungsplanung zu verbessern. Mittlerweile ist erwiesen, dass diese Therapieaktivitäten kaum dazu beitragen, dass sich die Handlungskompetenz im Alltag des Klienten verbessert. Heutzutage liegt die Kerntätigkeit zeitgemäßer Ergotherapie darin, das Alltagsproblem direkt am Schopf zu packen um eine größtmögliche Teilhabe eines Menschen am gesellschaftlichen Leben an zu streben. Das Trainieren einzelner Funktionen wird durch eine "betätigungsorientierte" Therapie abgelöst, in der die Wünsche des Klienten und seine Prioritäten im Mittelpunkt stehen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es nicht sinnvoll, Funktionen zu trainieren, da der Transfer zu Alltagsaktiviäten nicht von alleine stattfindet. Alltagsrelevante Aktivitäten, die als Ziel für die Behandlung formuliert werden, sollen im Mittelpunkt der ergotherapeutischen Schlaganfallrehabilitation stehen. Ausschließlich in der akuten Phase, z.B. auf der Intensivstation einer auf Schlaganfall spezialisierten " Stroke-Unit" ist die Wiederherstellung von Körperfunktionen vorrangig.
Wenn ein Mensch nach einem Schlaganfall z.B. wieder selbständig das Frühstück bereiten möchte, wird dies in einer "betätigungsorientierten" Ergotherapie praktisch in der Therapie durchgeführt. Der Therapeut analysiert hierbei, worin die Ursachen möglicher Schwierigkeiten liegen. Manchmal sind motorische Bewegungsabläufe die Ursache, manchmal gelingt es einem Klienten aber auch nicht, die Handlungen in eine logische Reihenfolge zu bringen oder ihm sind Bedeutungen für Gegenstände verloren gegangen.
Ergotherapie im Umfeld des Klienten ist effektiverWird die Ergotherapie ambulant durchgeführt, d.h. der Klient ist bereits wieder zuhause, sollte die Ergotherapie nach Möglichkeit in den eigenen 4 Wänden stattfinden. Auch wenn der so genannte "Heilmittelkatalog" dies anders vorsieht, nämlich das ein Hausbesuch nur dann verordnet wird, wenn der Klient "medizinisch" nicht in der Lage ist, die Praxis auf zu suchen, sollte mit dem Arzt über diese sinnvolle Art der Therapie diskutiert werden. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass eine Therapie "im Kontext", also dort wo der Klient die Schwierigkeiten auch tatsächlich erfährt, viel effektiver ist und letztendlich in kürzerer zum Ziel führt.
Klienten als Experten für ihr eigenes LebenHeutzutage schaut der Ergotherapeut gemeinsam mit dem Klienten und/oder den Angehörigen nach möglichst konkreten Therapiezielen: Was ist dem Klienten wichtig, was möchte er im Alltag wieder ausführen können, wo liegen seine Prioritäten?Diese alltagsrelevanten Ziele werden schriftlich festgehalten und der Klient gibt eine Bewertung, wie er die derzeitige Ausführung einschätzt und wie zufrieden er damit ist. Nur mit diesen Bewertungen können Therapiefortschritte messbar gemacht werden. Ein Instrument was hierfür auch in Deutschland immer häufiger eingesetzt wird, ist das in Kanada entwickelte COPM (Canadian Occupational Performance Measure).
Gemeinsam werden Lösungswege erarbeitet, um die gewünschten alltäglichen Handlungen wieder zu ermöglichen. In der Regel stützt sich die Behandlung auf drei Pfade:
o Fertigkeiten neu erlerneno auf eine andere Art und Weise erlernen
o durch den Einsatz von Hilfsmitteln ermöglichen
Für das Erreichen alltagsrelevanter Ziele ist es manchmal auch notwendig, an der Wiederherstellung von Körperfunktionen (z.B. dem Gefühl in der Hand) zu arbeiten. Dies sollte aber immer im Zusammenhang mit der zu erlernenden Alltagsaktivität stehen.
Der Klient und sein Umfeld
In der Ergotherapie dreht es sich nicht nur um den Menschen, der von einer chronischen Erkrankung oder einem Trauma betroffen ist. Häufig haben Angehörige viele Fragen und können auch selbst Ziele für die Therapie formulieren. Beispielsweise wenn es um die Unterstützung bei alltäglichen Aktivitäten geht. Angehörige sind oft unsicher darin, was sie z.B. dem Partner zumuten können und wie die effektivste Unterstützung aussehen kann.
Angehörige und Klient sollen aktiv in die Behandlung miteinbezogen werden. Manchmal geht es um das Erlernen von Handgriffen oder Handlungsabfolgen, sehr häufig steht aber auch das Erlernen von unendlicher Geduld in der Begleitung von Aktivitäten auf dem Programm. Der beste Weg ist, sich von Anfang an selber aktiv in die Therapie mit ein zu bringen. Geben Sie dem Therapeuten immer wieder Rückmeldung darüber, wie sie den Behandlungsverlauf wahrnehmen und wie es im Alltag klappt. Kommunizieren Sie Ihre Fragen und Bedenken, Ihre Zufrieden- oder Unzufriedenheit. Ergotherapeuten betrachten den Menschen als den besten Experten für sein eigenes Leben und deshalb kann kein Therapeut für seinen Klienten lebensrelevante Therapieziele formulieren. Jedoch ist er Experte darin, Alltagsprobleme zu analysieren und dafür Problemlösestrategien zu erarbeiten
Wann ist eine Therapie beendet?
An einer spastischen Hand lässt sich für Jahre "therapieren". Um immer wieder deutlich vor Augen zu haben, worin es in der Therapie überhaupt geht, sollten konkrete Ziele formuliert werden. An "der Feinmotorik" lässt sich ebenfalls jahrelang arbeiten. Ein Ziel ist konkret formuliert, wenn es einen Zeitrahmen vorgibt und messbar ist.
Zum Beispiel: Frau S. kann in 6 Monaten leserlich und ohne Schmerzen eine Postkarte schreiben. Auf eine Dauertherapie ohne konkretes Alltagsziel sollte verzichtet werden. Häufig erleben wir Intervall - Therapien, in denen konkrete Fragen aus dem Alltag für eine bestimmte Periode behandelt werden. Ich finde es sehr schön zu sehen, wie viele Klienten durch die Therapie immer erfinderischer im eigenen Bedenken von Lösungen für Ihren Alltag werden. Manche Körperfunktionen kommen leider nach einem Schlaganfall auch dauerhaft nicht mehr zurück. Je besser ein Klient lernt, mit motorischen Einschränkungen sein Leben zu meistern, desto größer ist das Gefühl von "subjektiver" Gesundheit und damit die Lebensqualität.
(mit freundlicher Genehmigung von Daniela Rolf)
Gefunden in: http://www.schlaganfall-info.de/index.htm
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