Dienstag, 18. Mai 2010

Kognitiv Therapeutische Übungen nach Perfetti

Was sind “Kognitiv Therapeutische Übungen” nach Perfetti?



Die “Kognitiv Therapeutischen Übungen” sind eine Behandlungsform für die Rehabilitation von Hemiplegie nach Schlaganfall. Sie unterscheidet sich von den anderen klinisch etablierten Therapien durch den neuen Ansatz, den der italienische Arzt Dr. Carlo Perfetti mit seinen Mitarbeitern entwickelte. Man will in der Behandlung keine Aktivitäten fördern bei denen bestimmte Bewegungsabläufe wiedererlernt werden, da angenommen wird, dass diese zu abnormalem kompensatorischen Bewegungsverhalten führen. Stattdessen sollen dem zentralen Nervensystem (ZNS) bestimmte Grundfähigkeiten wieder vermittelt werden, primär die für Informationsaufnahme und -verarbeitung, daneben aber auch die für Variabilität und die Fähigkeit einzelne Bewegungselemente kontrollieren zu können.


Ziel ist die Organisation bzw. Reorganisation des Nervensystems. Grundlage der Therapie ist der Tastsinn (Sensibilität), der eine wesentliche Rolle bei der Organisation von Bewegungen spielt. Das ZNS braucht Informationen vom Körper und der Umwelt, um Bewegungen planen und ausführen zu können, d.h. Bewegung und Sensibilität hängen voneinander ab.


Wichtig ist die Förderung des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit für die Reizverarbeitung (Wahrnehmung) aus Körper und Bewegung. Daneben wurden auch Erkenntnisse zur Rolle von Motivation und Gedächtnis einbezogen, denn
Ziel sind nicht mehr oder weniger mechanische Abläufe, sondern das kognitive (bewusst-intelligente) Lösen bestimmter Aufgaben unter Nutzung afferenter (sensibler) Informationen.
D.h. der Patient soll lernen eine Aufgabe zu lösen.

In der Therapie wird vorher das Ziel und die Durchführung genau erklärt, nicht nur um Aufmerksamkeit und Motivation zu wecken, sondern auch damit die gespürte Bewegung, die zunächst durch den Therapeuten ausgeführt wird, mit der gestellten Aufgabe verglichen werden kann. Denn ohne bewusstes Hinterfragen und Abgleichen der afferenten Informationen kommt es nicht zu der gewünschten Reizverarbeitung und langfristig nicht zu der Fähigkeit des ZNS willkürlich oder reaktiv adäquat Bewegung planen und durchführen zu können.
Das Nervensystem zu reorganisieren bedeutet die Fähigkeit der Interaktion zwischen Patient und Umwelt zu verbessern.


Wie wird die Therapie praktisch umgesetzt?
Die Therapie mit “kognitiv therapeutischen Übungen nach Perfetti” ist keine Behandlungsmethode, da es kein festes Therapieprogramm gibt. Die Therapie folgt bestimmten Grundsätzen und Zielen und entspricht damit einem Konzept. In Deutschland wird das Therapie-Konzept nach Perfetti überwiegend von Ergotherapeuten eingesetzt.
Vor der Behandlung steht eine ausführliche Untersuchung und Überprüfung der Sensibilität, gefolgt von der Analyse der speziellen Symptomatik auf dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ist das individuelle Problem des Patienten erkannt, wird eine Hypothese formuliert und erst danach das Übungsniveau sowie die einzelnen Übungen ausgewählt. Anhand der Reaktionen des Patienten während der Übungen wird die Hypothese überprüft.


Es gibt verschiedene Übungsebenen:


Übungen 1. Grades
- keine aktiven Bewegungen (Therapeut bewegt) – geschlossene Augen um Kompensation mit dem visuellen System zu vermeiden

Ziel: – Kontrolle abnormer Reaktionen auf Dehnung – Förderung der taktilen und kinästhetischen Sensibilität


Übungen 2. Grades
- unterstütztes willkürliches Bewegen (erfordert gutes Zusammenspiel von Therapeut und Patient) – schon etwas komplexere Aufgaben möglich

Ziel: – Förderung der Wahrnehmung – Kontrolle abnormer Irradiation (überschießende Aktivität benachbarter Muskelgruppen)


Übungen 3. Grades
- selbstständiges Bewegen ohne Hilfe – zunehmend komplexer

Ziel: – Kontrolle mehrerer Körperabschnitte, statisch und dynamisch – Kontrolle von Raum (wie weit?, wohin?), Zeit (Dauer, Tempo), Intensität (dosierte Kraftentwicklung)


Die Übungen und der Übungsaufbau werden individuell auf den Patienten abgestimmt und zusammengestellt unter bestimmten Aspekten wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und kognitiver Bewegungskontrolle.
Für die Übungen wird spezielles Therapiematerial benötigt. Es handelt sich dabei überwiegend um 2- oder 3-dimensionale Figuren in verschiedenen Größen, Materialien und Formen oder spezielle Konstruktionen, die teilweise in sich mobil sind. Die Kanten der Objekte werden z.B. mit dem Finger ertastet, entweder geführt durch den Therapeuten oder selbstständig. Der Patient soll sowohl die verschiedenen Formen, Strukturen, Materialstärken, Widerstände oder Gewichte, als auch die Distanz und Richtung der Bewegung erspüren und nachvollziehen, sie wieder erkennen und später aktiv reproduzieren.


Wirksamkeit der kognitiv therapeutischen Übungen nach Perfetti
Die “kognitiv therapeutischen Übungen” nach Perfetti sind in ihren Teilaspekten auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien konstruiert und entwickeln sich analog der neuen Erkenntnisse weiter. D.h. die Therapie wird um manches bereichert, während anderes herausgenommen wird, weil sich der Beleg als nicht mehr haltbar erweist.
Die adäquaten sensomotorischen Reize wirken stimulierend auf den Patienten. Er tritt in Interaktion mit der Umwelt und lernt sie wieder “begreifen”. Durch das intensive Training des sensomotorischen Nervensystems kommt es auch oft zu einer Senkung des Muskeltonus (Spastik).
Die Effektivität der gesamten Behandlung in der klinischen Situation von Schlaganfallpatienten mit einer Hemiplegie wurde nach Kenntnis der Autorin bisher aber noch nicht in wissenschaftlichen Studien überprüft.


Weiterbildung zum Perfetti-Therapeuten
Autorisierte Kurse zum Therapiekonzept nach Perfetti werden von verschiedenen Fortbildungsanbietern durchgeführt. Das Therapiematerial kann über den Fachhandel erworben werden.


Ausgewählte Literatur
Conti (1995) Die Behandlung erwachsener Hemiplegiker nach der Perfetti-Methode. Ergotherapie & Rehabilitation, Januar, 22-5.
Lehmann R, Messerli R, Kauffeld U, Kunz C (2000) Kognitive Rehabilitation: Schwerpunkt Schulter bei Hemiplegie. Praxis Ergotherapie, April, 104-8.
Oberleit S ( 1996) Kognitive therapeutische Übungen nach Prof. Perfetti. Krankengymnastik, 48 (4):533-549.
Perfetti C (1997) Der hemiplegische Patient – Kognitiv-therapeutische Übungen. Pflaum Verlag, München.

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Selbstverständlich bieten wir in unserer Praxis Übungen nach Perfetti an!



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